(aus: Holub, Hohenbüchler: Planning Unplanned, Wien 2015, S. 234ff)

 

BH Was erscheint Ihnen besonders schwierig an Ihrem Beruf im Alltag?

PA Besonders schwierig – Da fällt mir zuerst gar nichts ein. In Linz ist die Überzeugung der Politik mühsam. Ich musste lernen, geduldig zu sein. Man stößt sehr viel an, aber bis es sich gesetzt hat, muss man geduldig sein. Politiker müssen es verarbeiten und in ihr System einbauen. Man muss von vielen Seiten kommen, dann bewegt sich Politik. Aber es gibt auch Leute im Linzer Magistrat, die ich gar nicht überzeugen muss. Und in Blöcken, die im ersten Moment abwehrend sind, muss man die Leute finden, mit denen man gemeinsame Sache macht. Insofern ist es natürlich politische Arbeit. Mittlerweile schreibe ich das auch in Förderanträgen als eigenen Posten hinein: „Beamtenbeteiligung“, nicht „Bürgerbeteiligung“.

Stadtentwicklung wie wir sie betreiben ist eine Querschnittsmaterie. Ein Magistrat denkt aber, wie jede Bürokratie in Abteilungen und Zuständigkeiten. Wir versuchen Ämter-übergreifende Arbeitskreise zu installieren: Da gibt es von der Politik schon Zugeständnisse. Ich sehe das alles aber nicht als Schwierigkeit – das hätte ich vielleicht früher gesagt – jetzt sehe ich es eher als politische Arbeit.

[…]

Wir haben schon eine Vision, aber wie wir da hinkommen, ist relativ offen, weil es von Dingen und Personen abhängt, die auf politischer Ebene wie im Viertel passieren.

BH: Die Frage ist ja dann auch immer, wie all die unsichtbare Arbeit sichtbar gemacht wird. Die sehr aufwendige Kommunikationsarbeit, bis man versteht, wie eine Gemeinde oder ein Stadtviertel funktioniert – auch auf der übergeordneten politischen Ebene. Und wenn man einen gewissen Boden, auf dem man agieren kann, hat, geht es darum, diesen auch zu halten.

Es ist ja immer auch ein Faktor für die Politik, wie sie solche Projekte dann vermitteln können. Wie erfolgt die Bewertung? Meistens sind solche Prozesse zu wenig medientauglich, als dass man damit punkten kann. Das ist genau das Spektakel, gegen das wir anarbeiten.

PA: Ein bisschen Spektakel muss man immer machen, damit man Öffentlichkeit bekommt, und auch Gelder. Aber diese Arbeit hat nur einen Sinn, wenn es über Jahre geht. Man muss es langfristig anlegen. Bis du Beziehungen aufbaust zu einzelnen Gruppen bis man sich kennt und ein Vertrauen da ist, – das ist nicht so schnell herzustellen.

BH Was empfinden Sie als bereichernd an der Figur/ Rolle des Urban Practitioner?

PA: Dass man sehr schnell in Kontakt kommt, in einer Aktion drinnen und gleich im Tun ist.

BH… und was als die größte Herausforderung?

PA: Das zu finden, wo die anderen sofort mitmachen, weil es so selbstverständlich ist. Zum Beispiel haben wir im heurigen Sommer beim Schulfest einen Spatenstich gemacht. Das war eine spontane Idee. Es ging immer darum, wie wir die Eltern stärker involvieren. Da gab es die Frage des Schulgartens: Wieso geht nichts weiter, obwohl es einen Plan gibt? Und da hab ich gesagt: „Wisst ihr was, jetzt machen wir einen Spatenstich.“ Die Väter wussten nichts davon. Das war nicht spontan, wir hatten es natürlich schon vorbereitet, sonst wären keine Schaufeln da gewesen, aber es wusste keiner davon, auch die PolitikerInnen nicht. Das finde ich schon wichtig, dass man sie auch immer ein wenig herausfordert. Die Direktorin hat gesagt: „Es gibt jetzt einen überraschenden Spatenstich, bitte die Politik Spaten ausfassen, starke Väter sind gefragt.“ Dann sind sie alle gekommen. Wir hatten auf der Wiese schon einen Kreis gezeichnet und angesprüht, was ausgehoben werden soll. Jeder fragte: „Wofür? Machen wir halt.“ Nachher haben wir natürlich alles erklärt. Die Väter haben durchgearbeitet, das war eine Gaude. Das sind so direkte Geschichten, wo man zu einem Fest kommt und plötzlich passiert noch etwas anderes.

Man muss immer schauen, wo sich was tut und wo man etwas verknüpfen könnte. Es ist diese Übersetzungsarbeit, die wir leisten müssen. Und zugleich war dann das Magistrat gefordert – und heute gibt’s tatsächlich einen fertigen Sitzkreis

BH Welche Themen finden Sie aufgrund Ihrer beruflichen Erfahrung besonders relevant für die Gesellschaft, die Öffentlichkeit, für den öffentlichen Raum?

PA: Ich finde ich das Thema Bildung sehr wichtig. Die Schulen sind der Grund, warum das Franckviertel so ist, wie es ist. Über die Schulen und über die Eltern entsteht ein gewisses Klima.

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BH Wie viel Planung braucht das Ungeplante?

PA: Der Spatenstich war nicht ungeplant, er war für die anderen überraschend. Planung braucht es vielleicht nicht, aber es braucht eine Konstanz und Präsenz von einem selbst. Es braucht das Aufrechterhalten von Beziehungen. Dann entstehen Sachen, mit denen man nicht rechnet. Wir haben zum Beispiel einen typischen Franckviertler Hackler. Der ist immer unterwegs, der kennt jeden. Immer hat er gemosert und mit uns geredet, aber er ist nie gekommen. Seit drei Monaten ist er plötzlich präsent und erzählt mir, was er machen will. Er redet mehr als er tut, aber er ist jetzt permanent bei uns. Da überlege ich die ganze Zeit, wie spanne ich den ein, wie erwische ich den, so dass er wirklich was tut. So beschäftigen mich Leute.